Prinzipientreue – oder Prinzipienreiterei?

Heute ist es passiert. Ich habe einen 27 Kilometer großen, hässlichen “Autofahr-Fleck” auf meine weiße Pilgerweste gemacht…

Ich bin zwar hier und da auch vorher schonmal gefahren – aber nie so, dass ich dabei einen nennenswerten “Geländegewinn” erzielt hätte; es ging dabei jeweils um kurze Fahrten mit meinen Gastgebern zur Unterkunft am Ort.

Diesmal war es anders:

Ich fragte an einer “Bar” nach dem Haus des Popen. Den gäbe es hier nicht, war die Auskunft. Das war sehr ärgerlich, denn ich war auf diese Weise auch schon im Ort davor aufgelaufen. Ich könne es, meinte man, höchstens im Kloster acht Kilometer weiter hinten versuchen – da, wo ich gerade hergekommen war. Nun: Nachdem ich am Vortag gleich in zwei Klöstern die unangenehme Erfahrung gemacht hatte, wieder in die Winternacht hinausgeschickt zu werden, war meine Bereitschaft, diese Strecke zurück zu gehen, nur, um dann auch wieder weggeschickt zu werden, gleich null. Ich suchte deshalb das vertiefte Gespräch mit den anwesenden jungen Männern: Wie weit denn die nächste Kirche mit Pfarrer entfernt sei? Die gebe es in der 27 Kilometer entfernten Stadt. Ob denn am Ort niemand sei, der dafür in Frage käme, mir einen Platz für meinen Schlafsack einzuräumen? Oh nein – so jemanden würde ich hier garantiert nicht finden.

Man schenkte mir Kaffee, Limonade und eine Art “Wurst-und-Köse-Döner” und bot mir auch das Geld für die Busfahrt in die Stadt an. Das wollte ich aber nicht annehmen: Ich hatte noch Geld, und außerdem war ich ja als Pilger zu Fuß unterwegs. Dann allerdings sah man schwarz für mich: Ich würde erfrieren, war die Prophezeihung (die letzten Morgentemperaturen lagen bei 13 und 17 Kältegraden).

So schnell aufgeben wollte ich natürlich auch nicht. Ich hoffte darauf, doch noch einen “Pilgerversteher” im Ort zu finden. Und dann hieß es: Die Tochter der Wirtin fahre in einer Stunde in die Stadt. Wenn ich wolle, könne ich ja da mitfahren. Jemanden, der mich aufnehme für die Nacht, fände ich hier jedenfalls nicht…

Und so geschah es.

Mit dem zusätzlichen Nebenärger, dass ich in dem großen Kloster in Curtea de Arges, zu dem meine Gönner mich fuhren, noch weniger Erfolg hatte als in den beiden Klöstern in Bumbuesti, bei denen ich mich am Vortag vergeblich um eine Unterkunft bemüht hatte: Dort schenkte man mir im ersten Kloster immerhin ein Abendessen und im zweiten das Geld für eine Übernachtung in der Pensiunea – hier dagegen gab es nichts als die Abweisung.

So liege ich jetzt also in einer Pensiunea im Bett – bezahlt mit dem Geld aus dem Kloster.

Und nun zur Überschrift: Wie werde ich den “Vorgang” nun für mich werten? Wie wird die “Geschichte” weitergehen, die ich mir da eingebrockt habe? Ich weiß es noch nicht.

Ich könnte mir sagen: Du bist deiner Sache und dir selbst untreu geworden. Morgen gehst du dorthin, wo du schon warst, und setzt den Weg zu Fuß fort. Eine naheliegende Möglichkeit, den “Fleck” aus der Weste wieder herauszuwaschen.

Oder ich erinnere mich (und meine Leser) an den Mann, der im Moor versunken ist, weil er seine potentiellen Retter mit dem Hinweis, Gott werde ihm schon helfen, wieder weggeschickt hatte – und sich im Himmel sagen lassen musste, dass die herbeigeeilte Feuerwehr doch vom Himmel geschickt worden war! Sollte ich also besser Gott danken für die freundlichen, selbstlosen Helfer, die er mir geschickt hat – und meine Wallfahrt von hier aus fortsetzen?

Ich muss die Angelegenheit überschlafen. Mein Urteilsvermögen ist heute etwas getrübt.

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