Pilgern ohne Geld

Ich habe mich dazu entschieden, den Versuch zu machen, ohne Geld durch die Lande zu pilgern. 

Das hat mehrere Gründe: Einmal bedeutet es in viel höherem Maße, mein Schicksal – wie soll ich am besten sagen: in Gottes Hand zu legen? Aus der Hand zu geben? Mich auf Gedeih und Verderb meinen Mitmenschen auszuliefern? Diesen Mitmenschen auf eine Weise zu vertrauen und Vertrauen von ihnen zu erhoffen, wie ich das sonst nie tun würde? Auf eine Weise und in einem Ausmaß Unsicherheit in Kauf zu nehmen, das an die Substanz gehen wird – wenn nicht innerlich, so doch irgendwann (eher früher als später) äußerlich?

Es ist von allem etwas. Am meisten trifft wohl das Erste und das Letztgenannte zu.

Jetzt muss ich aber feststellen, dass ich bisher in zweierlei Hinsicht inkonsequent gewesen bin: Zum einen habe ich Geld mitgenommen, um fällige Visagebühren zu bezahlen. Zum zweiten hab ich mehrmals Geld angenommen, das mir “meine” gastgebenden (oder nicht gastgebenden) Pastoren zugesteckt  haben. 

Das hat erhebliche Konsequenzen. Besonders das zuletzt Erwähnte.

Ich weiß jetzt, ich habe einen “Notgroschen” in der Tasche (so ist es ja auch gedacht von meinen Gönnern). Das aber bedeutet: Ich muss eben auch im Notfall NICHT hungern (jedenfalls zunächst nicht); ich muss auch im Notfall NICHT in der Kälte Übernachten (jedenfalls nicht in den ersten ein, zwei Nächten. Einmal hab ich davon ja schon Gebrauch gemacht – in Berlin; auch wenn ich das Geld dort ausdrücklich zu diesem Zweck bekommen hatte, wollte ich es doch eher nicht in eine Hostel-Übernachtung investieren. Die Situation war mir (zunächst) noch nicht schwierig genug…)
Das ist aber noch nicht alles. Ich muss klar feststellen, dass ich die Läden und Imbissbuden, an denen ich vorbei pilgere, und die Lokale, in denen ich vielleicht nach dem Weg frage, mit ganz anderen Augen betrachte, als wenn ich wirklich mittellos wäre. Ich kann ja jederzeit entscheiden: jetzt kaufe ich mir etwas! 

Das ist ein komplett anderes Lebensgefühl, als wenn ich wirklich und vollständig das Heft aus der Hand gegeben hätte! 

Demut als Stichwort kommt mir in den Sinn… Die rückt gleich wieder in weite Ferne! Um wirklich ALLES bitten zu müssen, mir NICHTS nach eigenem Gutdünken einfach nehmen zu können, würde mich ganz anders fordern.
Und beim Gedanken, diese Inkonsequenz nun schleunigst in Ordnung zu bringen (eine Ecke in mir will genau das), geht ein Teil von mir auf Distanz. Erst verspannt er sich leicht, und dann fängt er an, zu argumentieren (sich zu erinnern – so würde es dieser Teil von mir wohl selbst nennen): Das Geld haben mir ja meine Mitmenschen zugesteckt, WEIL sie mich für harte Zeiten vorbereiten und in diesen Zeiten ein wenig schützen wollten! Darf ich das dann einfach in den Wind schlagen? Ohne diese kleine Notsicherung weiterzuziehen, wenn meine lieben Mitmenschen es mir doch ausdrücklich so zukommen lassen – wäre das nicht dumm? Wäre es nicht geradezu unverantwortlich? Unverantwortlich gegenüber mir selbst und meinen Angehörigen?
Oder ist es nicht umgekehrt unverantwortlich, hier und jetzt in den alten Kategorien des Sicherheitsdenkens und -fühlens verhaftet zu bleiben?!?

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Ein Kommentar zu Pilgern ohne Geld

  1. Heike sagt:

    Deine Gedanken und Gefühle und wie du das beobachtest finde ich sehr spannend und kann sie auch gut nachvollziehen.
    Das Geld, das Dir zugesteckt wurde, könnte ich als Gott gegeben ansehen und gehört zu deiner Reise dazu und Du kannst damit die schon beschriebenen und auch noch weitere Erfahrungen machen. Zum Beispiel könntest Du mit dem Geld in der Tasche ganz unbeschwert den nächsten Tag erleben, wenn Dich hungert kaufst Du etwas zu essen oder wenn Du müde bist bezahlst Du Dein Bett und wenn es alle ist dann geht es wieder anders weiter. Im hier und jetzt leben so wie Fabian, wenn Geld da ist, ist das toll und es wird ausgegeben und wenn nichts da ist, dann geht’s auch ohne.
    Aber im Moment hast Du ja ganz andere Sorgen. Bin gespannt, wie es mit Deinem Bein weitergeht oder humpelt. Meine guten Gedanken und Wünschen begleiten Dich.

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