Pilgeralltag

Freitag, den zweiten Dezember 2016

Schon um 7:00 Uhr war deutlich zu erkennen, dass es ein Schönwettertag werden würde. Ich hatte dennoch nicht den Impuls, sofort loszugehen: zum einen wollte ich einige Gedanken zum Thema Auschwitz zu Papier bringen, zum anderen schmerzte meine “Kontra-Achillessehne” doch sehr. Ich mochte ihr gern noch eine Zeit der Schonung gönnen.

Frühstück: aufgebackene Bio-Vollkornbrötchen und Kaffee. Davor noch einen kleinen Rest Spaghetti mit Tomatensoße vom Vorabend. Gegessen hab ich nur ein Brötchen: das Schreiben hat mich in Anspruch genommen.

Aufbruch 10:40. Die nette Googlestimme schickte mich diesmal nicht auf die Bundesstraße, sondern hier hin:

Ich habe dabei Rotwild aufgescheucht. Und wenn sie (die Stimme) kein GPS hatte, wollte sie mich auch gern mal zurück schicken.

Ich bin durch Kienbaum gekommen: Bundesleistungszentrum. Für wen und was, konne ich nicht gleich in Erfahrung bringen. Es sind aber mehrere Stadion-Sportplätze und eine große Zahl von Sporthallen vorhanden. Nicht etwa alt und angegammelt, sondern alles tip top in Schuss oder neu – offensichtlich hat dieses Sportdorf (das alles befindet  sich hinterm Dorf im Wald am See!) ein Millionenbudget zur Verfügung. Und noch eines war auffällig: die Navigation funktionierte nicht recht, und Google stellte nur verdunkelte Satellitenfotos zur Verfügung! Ach ja: zu allem Überfluss fehlte jegliches Straßennamenschild… Ich hatte die Vermutung, dass hier vielleicht irgendwelche Geheimdienstler oder Special Forces trainiert werden. Es scheint aber so zu sein, dass diese Heimlichtuerei ein Relikt aus DDR – Zeiten ist, einschließlich der “Google-Sabotage”.

Ich hab ich also schwer getan, dort  durchzufinden. Und kurz darauf hab ich mich noch zweimal im Wald verlaufen. Mein Schenbeinende zickte immer mehr:


Mein Gehtempo verlangsamte sich zusehends, und mir wurde langsam, aber sicher klar, dass ich den eigentlich angedachten etwas größeren Ort nicht mehr würde erreichen können. Meine erste “Pilger-Außenlandung” stand mir vor Augen: Übernachten mit Schlafsack und Isomatte unter freiem Himmel oder auf einem Hochsitz.

Das nächste kleine Dorf hatte sogar eine Kirche (Größe: angemessen), aber natürlich keinen Pfarrer. Ich brachte schließlich in Erfahrung, dass die neue Pastorin 9 km weit weg wohnt – undenkbar mit meiner lahmen “Gräte”. Ich klagte also noch ein, zwei Passanten mein Leid. Es wollte mich zwar niemand haben über Nacht, aber ich wurde hingewiesen auf  ein Haus, wo ich vielleicht Glück haben könnte. Und tatsächlich: ich sitze hier im Warmen und Trockenen, hatte Abendbrot und sogar ein Bad!  Einziger Wermutstropfen: ich bin nicht weit gekommen. Nach Frankfurt sind’s noch 39 km… Und meine Sehnen werden morgen kaum wie neu sein! Aber: Hilfe kam, als ich sie wirklich brauchte.

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