Bulgarien

Meine Tage in Bulgarien (es waren 10 Übernachtungen und etwa neuneinhalb Reisetage) waren beeinflusst von einer Besonderheit, die ich so bislang nicht hatte: Von der Unterstützung, die mir Regina und Kamila, die beiden polnischen Etappenpilgerinnen, über e-Mail zukommen ließen. Das hat meine Wegwahl in einzelnen Bereichen vorgegeben und meine Haltung den Menschen gegenüber etwas befangen gemacht: Ich hatte mich auf Schwierigkeiten bei der Quartiersuche eingestellt. Tatsächlich hat es dann deutlich besser geklappt, als ich vermutet hatte: Von den zehn Übernachtungen waren sechs bei Privatpersonen (wenn man Mehmet und Miyrem sowie Diyan mitzählt, die mir das Hotel bezahlt haben). Ganz besondere Beachtung verdient aber die Gastfreundschaft, die ich in Kruschewetz und in Malko Tyrnovo erfahren habe.

In Kruschewetz habe ich am Ortseingang im “Magazin” meinen Pilgerbrief vorgezeigt – und habe sofortige Resonanz erfahren: Der jüngere Mann hinter dem Tresen besprach sich kurz mit der  ebenfalls Kunden bedienenden Frau etwa meines Alters, fragte noch auf Englisch nach, ob es sich nur um eine Nacht handele – dann sagte er zu. 

Ich musste noch geraume Zeit im Laden warten, was verkürzt wurde durch einen Automatenkaffee, etwas Süßes zu essen und das ungefähr ein Jahr alte Mädchen, das ebenfalls im Laden war. Dann gingen wir zum nahen Wohnhaus der Familie. Dort wurde ich bestens verpflegt: Das Essen kam in mehreren “Gängen” an den Tisch, sodass mein erster Eindruck, meinen Magen eng und die Seele weit weg von einer “Völleirei-Einstellung” halten zu müssen, eindrucksvoll widerlegt wurden.

Duschen konnte ich in der winzigen Toilette – eine Herausforderung an Koordination und Beweglichkeit. Dann durfte ich noch das ganze Haus bewundern: Es war erstaunlich groß, aber kalt. Nur die Wohnküche war richtig geheizt. Dort wurde auch geschlafen: Ich bekam eine Matratze auf den Boden und habe praktisch neben dem Ehebett meiner Gastgeber geschlafen. Der jüngere Mann aus dem Laden, Schwiegersohn meiner Gastgeber, und das kleine Mädchen, das seine Tochter war, wohnen entgegen meiner ersten Vermutung nicht in diesem Haus: Sie haben ein eigenes einige hundert Meter entfernt.

Und dann: Malko Tyrnovo. Meine polnischen “Beraterinnen” und “ihr” Priester in Burgas hatten mir angkündigt, dass man dort um diese Jahreszeit wohl nur im Hotel oder einemGästehaus übernachten könne. So habe ich meinen abendlichen Frageparcours etwas skeptisch begonnen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich in einem Geschäft auf Menschen getroffen bin, die sich auf mein Anliegen einzulassen bereit waren und den Pilgerbrief wirklich gelesen haben. Dann wollten sie mich ins Hotel bringen… Die Frau, die am ehesten zu verstehen schien, dass eine Hotelunterbringung nur im äußersten Notfall in Frage käme, ging mit mir zielstrebig die Straße zurück, über die ich gerade in die Ortschaft hereingekommen war. Nach einem Kilometer bogen wir rechts ab und gelangten an die ärmliche Behausung einer älteren Frau – vielleicht die Mutter meiner “Fremdenführerin”. Es war von 20 Euro die Rede, und auf meine nicht sehr begeisterte Reaktion hin wurde telefoniert. Ein Mann war am Apparat, der Englisch konnte. Ihm habe ich die Lage erläutert. Eine Lösung schien er nicht zu kennen. Folglich machte ich mich wieder auf Richtung Innenstadt. 

Doch die Frau, die mich hergebracht hatte, folgte mir: Es schien ihr ein besonderes Anliegen zu sein, mich als Übernachtungsgast zu vermitteln. Das wurde mir jetzt doch deutlich unangenehm: Ich dachte an die Erfahrung mit den Zigeunern nahe Dobromir und versuchte abzuschätzen, ob es der Frau nur um das Geld für die Übernachtung ging, oder ob sie vielleicht mehr plante? Besonders, als sie entschieden (fast könnte man sagen: herrisch) darauf bestand, dass ich warten solle – das Auto, das mich abhole, sei gleich hier!

Ich wusste nicht weiter: Der Verstand warnte mich, aber dennoch hatte ich nicht den Impuls, mich wirklich auf und davon zu machen. Ich zögerte, und dann war das Auto da: Ein Alfa Romeo in vergleichsweise gutem Zustand. Der Fahrer (jünger als meine “Hackenbegleiterin”, etwa Mitte zwanzig) machte auf mich einen guten Eindruck,und so stieg ich ein – trotz aller gedanklichen Zweifel.

Auf der Fahrt bekam ich erläutert, dass er ein Zimmer frei habe, in dem ich nächtigen könne – for free, wie er sagte. Er habe sich vorhin nur mit seiner Frau besprechen müssen und deshalb nicht gleich zusagen können. Meine vorige Begleiterin war übrigens die Schwester seiner Frau.

Das Haus war einigermaßen heruntergekommen (nicht unähnlich dem, was ich unterwegs immer wieder an Zigeunerunterkünften gesehen hatte), aber die Wohnung selbst befand sich in ordentlichem Zustand. Ich bekam zu essen und zu trinken, konnte im recht kalten Zimmer, aber gut zugedeckt übernachten, und am Morgen bekam ich noch eine große Tüte mit Proviant mitgegeben. Zusätzlich hätte mein Gönner mich auch noch die neun Kilometer an die türkische Grenze gefahren, wenn ich dazu bereit gewesen wäre!

Ich muss gestehen, dass ich bei unserer Verabschiedung etwas beschämt war ob einer solchen Gastfreundschaft und der Tatsache, dass ich der Schwägerin meines Gastgebers nicht voll vertraut hatte.

Fotos durfte ich keine machen – warum auch immer… Aber ich werde dieses junge bulgarische Paar dennoch in bester Erinnerung behalten.

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