Ende der Wallachei

Am Samstag, den 28.1. verließ ich das Kloster Pantokrator in der Absicht, bis nach Ruse/Bulgarien zu kommen. Das Vorankommen war sehr gut: Mäßiger Frost, kaum Wind, trocken, sonnig… Und gegen 12:00 Uhr: Die Straße gesperrt und nicht geräumt. Alternativen: keine… Ich muss 10 km zurück, sodass ich nach einem anstrengenden Tag und 40 km brutto auf 20 km Netto-Tagesstrecke komme.

In Izvoarele frage ich beim orthodoxen Priester nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Er erklärt mir, bei ihm sei es leider nicht möglich, ich solle es doch im Kloster versuchen, ein oder zwei Kilometer zurück und dieselbe Strecke seitwärts. Ich bedanke mich, man merkt mir meine Enttäuschung aber wohl an.

Als ich einen knappen Kilometer gegangen bin, hupt es von hinten: Der Priester hat mich mit dem Auto eingeholt, bittet mich, ihm zu vergeben, es sei nicht richtig gewesen, was er getan habe, und holt mich zu sich nach hause. Der Hintergrund dieser seiner “Sünde” ist, wie so oft in vergleichbaren Fällen, die Angst vor einem Fremden im Haus, hier wohl besonders auch durch die Frau des Popen.

Ich bekomme zu essen, und wir unterhalten uns angeregt auf Englisch, über Politik, Korruption, Glauben, Wirtschaft, Ehrlichkeit und spirituelle Substanz. Zum Schreiben komme ich nicht. Schlafen kann ich in einem angebauten Zimmer, die Heizung klein und an der einzigen Wand, die nicht der Kälte ausgesetzt ist – alle 5 anderen Seiten sind eisig. Trotz warmer Kleidung und dicker Decken friere ich.

Am Morgen gibt es Tee und Kaffee, Käse und trockenes Brot. Dann marschiere ich los, in einen eher trüben Tag. In Giurgiu lasse ich mir etwas Zeit, deshalb bin ich erst nach Einbruch der Dunkelheit überhaupt an der bulgarischen Grenze – und habe noch einige Kilometer bis ins Stadtzentrum von Ruse. Ich frage in einem Geschäft nach Kirche und Kloster; das geht mit Hilfe einer Zeichnung, die ich auf dem Broteinwickelpapier anfertige, ganz gut… Allerdings erfahre ich, dass es kaum eine Möglichkeit für mich gebe außer dem Millennium-Hotel. Das wird mir von einem englischkundigen jungen Mann bestätigt – und im nächsten Laden von den dortigen Verkäuferinnen bekräftigt. Eine der jungen Damen ruft mir, als ich gehe, hinterher, ob ich Deutsch könne: Es stellt sich heraus, dass sie sieben Jahre in Berlin gelebt hat.

Ich gehe schließlich ins Millenniumhotel und verschwende 20 Euro meines kostbaren Notgeldes schon in der ersten bulgarischen Nacht, praktisch ohne im neuen Land Strecke gemacht zu haben. Am nächsten Tag bin ich leicht gedrückter Stimmung, als ich starte. Die Verlängerung meiner Internetoption über Medion will partout nicht funktionieren, und freies WiFi finde ich zunächst auch nicht. Erst außerhalb der Stadt, an einer Tankstelle, kann ich meine Route besser überprüfen.

Jetzt bin ich auch wieder zuversichtlicher. Ich marschiere die nicht allzu stark befahrene E70 entlang und frage gegen 16:30, 17:00 Uhr in einem im Tal abseits  der Straße gelegenen Ort nach einer Übernachtung. Im ersten Geschäft ist zunächst niemand zu sehen. Dann steht eine uralte Frau in der Tür – mit einer Eisenschaufel in der Hand. Ich bin ein Fremder im Dorf – man weiß ja nie…

Da ich von der Alten nichts Positives in Erfahrung bringen kann, laufe ich in die Ortsmitte. Die Menschen sind hier allgemein nicht sehr offen gegenüber Menschen, die hier nicht hingehören, das wird schnell deutlich. Als ich die Übersetzung meines Pilgerbriefes auf dem Handy vorzeige, lesen fünf, sechs  Männer den Text, versichern mir aber bald, ich müsse woanders hingehen.: Hier im Ort könne ich auf keinen Fall schlafen…

 Doch einer hat eine Idee. Er bringt mich zu seinem Freund Reg, alias Geginald Thomas Wood, einem Engländer, seit einem Jahr verwitwet. Der erklärt sich sofort bereit, mich für die Nacht zu beherbergen.

Es wird ein langer Abend, mit Reden, Rauchen, Essen, Reden, Rauchen… Gegen Mitternacht darf ich im verwaisten Ehebett schlafen, mit dicken Decken und einem Radiator im Zimmer. Diesmal brauche ich nicht zu frieren. Gegen 5:00 Uhr stehe ich auf, gehe über die Außentreppe ins Erdgescchoss (wie hier und in Rumänien üblich) und hole im Küchenbecken nach, was ich an Waschvorgängen am Abend versäumt habe. Die Socken bekomme ich gerade noch so trocken…

Um 8:30 sitzen wir wieder in der Küche, Reginald und ich. Wir trinken Kaffee und Tee, er raucht wieder wie ein Schlot. Zu essen gibt es leider nichts. Und zu spät darf ich auch nicht aufbrechen, ich sollte die 35 km in die nächste Stadt unbedingt noch vor der Nacht bewältigen. Als Plan b (oder c) habe ich diesmal allerdings noch den hohen Schnee in petto: Es sollte doch möglich sein, mir ein Not-Iglu zu bauen! Das wird mich entspannen beim Fragen nach einer Unterkunft.

Übrigens wird mir klipp und klar erklärt, das starke Misstrauen gegenüber allem Fremden fuße auf den Negativerfahrungen mit den Zigeunern…

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