Wolfshunde im Schafspelz

Die Strecke von Turda in Richtung Sibiu/Hermannstadt war laut Routenplaner eine abwechslungsreiche, das heißt eine unter Nutzung auch kleiner Sträßchen und Wege. Das war eine schöne Aussicht für den Tag – ich mag es, sowohl vorwärts zu kommen als auch etwas dabei zu erleben. Dumm war nur, dass mein GPS-Empfang schon in der Stadt nicht mehr funktionierte und dann auch noch die Route irgendwie aus meinem Handy verschwunden war…

Ich schlug erst einmal die richtige Richtung ein. Dann, nach etwa 15 Kilometern, ging ich in eine “Coffe-Bar” und holte mir in aller Ruhe in der Wärme eine neue Route aufs Telefon. Es saßen in der Bar erstaunlich viele junge Männer herum. Einer von ihnen konnte Englisch. Er zeigte für mein Unternehmen wenig Verständnis – das sei doch unnütz und gefährlich! Über Nutzen und Schaden der Komputerspiele, die er und seine Freunde hier spielten, machte er keine Anmerkung… 

Der Routenplaner schickte mich ein Stück zurück nach Norden (1,4 Kilometer) und dann über zwei Kilometer nach Westen. Da wollte ich ja nun garnicht hin… Also versuchte ich, auf etwas direkterem Weg den Anschluss an die unvermeidliche Autostraße zu bekommen. 

Zunächst klappte das gut: Es gab einen Weg in die richtige Richtung. Unglücklicherweise ging der direkt auf ein militärisch genutztes Areal zu. Das wollte ich, von Osten kommend, südlich umschlagen. Allerdings hatten sich etwa 500 Meter von mir entfernt zwei Hunde sehr über mein Kommen ereifert und waren, meinem Weg parallel folgend, einen dreiviertel Kilometer von ihrem Hof weggelaufen. In ihre Nähe müsste ich jetzt, um in ebendiesem Dreiviertelkilometer Abstand zwischen Hof und Militärareal durchzugehen. Die Hunde waren groß und zottig, ähnlich ungeschorenen Schafen – nur viel schlanker. Ich erinnerte mich daran, dass eine Rumänin in vergleichbarer Situation einen Stock zur Hand genommen hatte – ich schnitt mir deshalb einen Knüttel passender Größe und Dicke vom nächsten Holderbusch ab. So gedachte ich, da schon durchzukommen.

Die Hunde – es waren jetzt plötzlich drei vom gleichen Schlag – sahen das allerdings anders. Und sie wussten das auch so überzeugend zu kommunizieren, dass auch ich mir die Sache nochmal überlegte…Unangenehmerweise war auch der geordnete Rückzug mit Stress verbunden: Die Hundsviecher zeigten großes Geschick darin, mich von allen Seiten gleichzeitig bellend, knurrend und zähnefletschend anzugehen. Ein unbefangener, aber “Lyrik-affiner” Beobachter hätte vielleicht berichtet: “S´war einer, dem´s zu Herzen ging, dass ihm der Hund so hinten hing – er wollt´ es anders haben.” 

Nun, es ging letztlich alles gut. Dahingestellt bleiben muss, ob die Auseinandersetzung einen anderen Verlauf genommen hätte, wenn ich nicht kurze Zeit vorher mitten in Cluj-Napoca eine unangenehme Erfahrung mit einem “Halbformat-Köter” gemacht gehabt hätte: Der rannte mir kläffend hinterher, derweil ich einfach weiter ging, ohne ihn im Geringsten zu beachten. Das hat sich gerade hier in Rumänien vielfach bewährt. Diesmal war es anders: Hast du nicht gesehn, zwickte mich dieses – pardon! – Drecksviech doch tatsächlich in die Wade! Das hat in meiner Psyche feine, aber für einen sensiblen Hund sicherlich wahrnehmbare Spuren hinterlassen… Und wenn dann drei überformatige Zähnefletscher um mich herumwuseln, bin ich mir nicht mehr ganz so siegessicher, wie ich es vielleicht vor diesem Ereignis gewesen wäre.

Auf der weiteren Strecke gab es dann ein echtes Novum: Ich wanderte rund zehn Kilometer auf der Autobahn! Na ja, jedenfalls auf der vierspurig ausgebauten Fernstraße. Und für den Verkehr freigegeben war sie natürlich auch noch nicht, deshalb war das Wandern auch so angenehm und nervenschonend. Irgendwann musste ich allerdings wieder runter von meiner einsamen Rennstrecke. Die Dämmerung nahte, und ich peilte den übernächsten Ort zum Übernachten an. Dort ließ ich mir von einem Passanten ausführlich erklären, wo ich das katholische Pfarrhaus fände. Das trug mir eine halbe Stunde Fußmarsch zusätzlich ein. Jetzt war es schon fast dunkel, und ich stand wieder vor den drei Kirchen, bei denen ich schon gewesen war: Der Katholischen, der Orthodoxen und der Reformierten. Jetzt versuchte ich mein Glück bei einem Hausbesitzer, der gerade dabei war, sein Tor für die Nacht zu verriegeln. Der ging mit mir 20 Meter weiter in ein Versicherungsbüro, und die Frau, die dort am Tisch saß, las sich meinen Pilgerbrief sorgfältig durch. Dann forderte sie mich auf, mitzukommen, schloss ihren Laden zu (der Schlüssel steckte schon außen, ich war wohl gekommen, als sie gerade am Gehen war) und brachte mich zum Pfarrer der Reformierten und seiner Frau.

Dort zeigte man sich aufgeschlossen, bot mir ein Bett und ein Abendessen an, und ich konnte sogar einige Kleinigkeiten in der Maschine mitwaschen lassen. Nach dem Frühstück packte ich ein reichliches “Reisebrot” ein – und bekam, obwohl ich meine Handy-Taschenlampe vorgeführt hatte, eine “richtige” Lampe geschenkt: Das sei ein wirksames Mittel, mir die Schutz- und Hütehunde vom Leib zu halten! 

Übrigens: Es waren – wieder Ungarn, die sich in dieser Weise gastfreundlich und großzügig erwiesen!

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2 Kommentare zu Wolfshunde im Schafspelz

  1. de Oliveira Gloria sagt:

    Weiter gute Nerven mit den Hunden.Ich habe da auch meine Nerven staehlern muessen- bei den Rumaenischen Hunderudeln.

  2. Sarah von Thomsen sagt:

    What an amazing adventure you are having! It has been very interesting to read about your travels! My best wishes on your future adventures.

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