Abenteuerlich gut zu Fuß

​In Opole bin ich am 22.12 gegen 9:00 Uhr aufgebrochen. Davor habe ich nicht nur gut gefrühstückt, sondern mich auch bestens auf Deutsch unterhalten mit Bertrand, auf Englisch mit Benedikt, von denen ich auch noch beschenkt wurde mit einem hölzernen Franziskaner-Tau an einer “Halsschnur” und mit fünf Päckchen Papiertaschentüchern. Es ging gut voran. Das Wetter war so strahlend schön, dass ich – trotz Minustemperaturen – eine kleine Mittagsrast im trockenen Gras an der Straßenböschung halten konnte. Auch mit der Schuhwahl hatte ich eine glückliche Hand: erst Stiefel, dann – gegen Mittag – Turnschuhe, und nach Sonnenuntergang wieder Stiefel. Das letzte Umziehen erforderte aber drei Aufenthalte in Geschäften am Straßenrand:

Bei Rossmann hab ich mich vor allem aufgewärmt; eine Ecke, in der ich mich hätte umziehen können, hab ich nicht gefunden. Bei Lidl hab ich 1.99 meiner geschenkten Zloty in eine Tüte Chips investiert – Stiefel hatte ich aber immer noch nicht an… Die hab ich dann in der Einkaufswagenecke des polnischen Lebensmittelladens angezogen.

Dreißig Kilometer hatte ich da ungefähr hinter mir. Nach weiteren zehn dachte ich dann an eine Unterkunft. Eine Kirche und auch ein Pfarrhaus fand ich etwa bei km 45. 

Auf mein Klingeln tat sich zunächst nichts. Dann bemerkte ich, dass der Pfarrer schon an der Haustür stand und mich durch ein kleines Fensterchen musterte.

Meine Standardvorstellung (Pilger, Bitte um ein Nachtlager) quittierte er mit “bruddeln” und so entschiedenem Kopfschütteln, dass an Widerspruch nicht zu denjen war. Obwohl die Zeit schon gefährlich weit fortgeschritten war (19:50), konnte ich das in dieser Situation mit Humor nehmen: meine Beine und Füße schienen Gott sei Dank noch durchaus brauchbar zum Wandern zu sein. Also: Yallah, weiter durch die Winternacht!

Ich hatte keine Ahnung, wann wieder eine “kirchenverdächtige” Ortschaft an meinem Weg liegen würde: auf diese hier, bei der ich gerade abgewiesen worden war, hatte ich mit steigender Spannung doch ziemlich lange warten müssen. Nun, nach 50 Kilometern Tagespensum fand ich: eine große Kirche, ein Pfarrhaus, einen Pfarrer und: Einlass!!! Abendbrot um 21:30 zu dritt; die Organistin war mit von der Partie. 

Das sehr großzügig dimensionierte Pfarrhaus in bestem Zustand hatte auch in dieser Größe erkennbar seine Berechtigung: zwei Vikare, eine Religionslehrerin und ein Ehemann kamen zum Frühstück ebenfalls an den Tisch, zusätzlich zum Pfarrer, der Organistin und mir. Für beste Unterhaltung sorgte vor allem die Organistin: Sie konnte gut deutsch, und es war eine Freude, mit ihr über das Leben und auch über die Pilgerreise zu sprechen.

Am 23.12 gings dann weiter Richtung Auschwitz. Da erst habe ich realisiert, dass mein Weg auch über Gleiwitz führt. Ich ging damit also den Weg nach, den anno 1939 die Wehrmacht einschlug, als der Überfall auf Polen begann…

Die Strecke ab Stadteingang Gleiwitz empfand ich als zunehmend unschön. Über viele Kilometer zog sich die Straße hin, links und rechts hässlich bebaut. Am Stadtausgang wurde es richtig abenteuerlich: Die DK44, die ich entlang ging, ist hier vierspurig ausgebaut und kreuzt die A4, die auch über mehrere Extraspuren verfügt. In Deutschland würde man da so nicht durch marschieren. Hier hat sich niemand drüber aufgeregt.​​



Als der Knotenpunkt überwunden war, ging es weiter dedart, dass ich nie das Gefühl hatte, wirklich  in einer Ortschaft zu sein – aber auch nie, mich auf freier Strecke zu befinden.

Ankunft an der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Mikolow um 19:50, nach etwa 47 Kilometern. Ich wurde hier sehr aufmerksam und zuvorkommend begrüßt, aufgenommen und verpflegt und bekam im Gemeinderaum eine Matratze vor den warmen Kaminofen gelegt. Auch eine vm vierzehnjährigen Sohn selbstgemachte Pizza (mit gefühlt einem Pfund Käse drauf) gab es für mich! Das Pastorenehepaar legt Wert darauf, dass die vier Söhne gut deutsch lernen, wie die Eltern. 

Hier erfuhr ich auch, dass die Evangelisch-Augsburgische Kirche noch keine Frauenordination hat – wenn ich hier schreibe Pastorenehepaar, dann ist das nicht das Gleiche wie etwa in Pritzwalk oded Herzfelde. Und gerade im katholisch-polnischen Umfeld wird das wohl auch noch lange so bleiben.

Auf meinen Wunsch hin, am 24.12. schon gegen 6:00 Uhr loszugehen, hat mir der Hausherr doch tatsächlich auf 5:30 Uhr Rührei mit Salami und Zwiebeln gemacht – was für ein Service!


Die Idee, die 30 km bis zum KZ-Museum vor 12:00 Uhr zu bewältigen, war durchaus realistisch: um 11:45 Uhr war ich dort. Das Museum hatte noch bis 15:00 Uhr geöffnet. Meine erhofften Papiere werde ich – wenn überhaupt! – aber erst übermorgen bekommen: dann hat auch das Büro wieder offen…

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