Antisemitisches Lehr(früh)stück

Fotos: https://goo.gl/photos/LLp4P7SxUesERSrh9

Vorgestern, also am 24.2.2017, habe ich in dem Dorf Serefiye in der Nähe von Sakarya übernachtet. Ich habe schon am Ortseingang Yilmaz getroffen, einen Türken, der seit vielen Jahren in Wien arbeitet und der mich gleich auf deutsch ansprach. Er hat in einem Nebengebäude seines Hauses eine Art Einliegerwohnung, in der ich übernachten konnte. So hat sich einmal mehr bestätigt, was ich immer wieder erlebt habe: In den kleinen Ortschaften ist es für einen Pilger sehr viel leichter, eine Bleibe zu finden, als in der Großstadt. 

Das Gespräch beim Abendessen mit Yilmaz und seinem Freund, Abdul vali, habe ich schon geschildert in “Bewunderung und Verachtung”. Es fand im Garten des Lokals eines Vetters von Yilmaz statt. Ich wurde dort physisch bestens versorgt: Der Vetter ist ein guter Koch. 

Dieses Abendessen schuf eine wichtige Grundlage für den nächsten Morgen: Da durfte ich nämlich einfach so gehen, ohne Kaffee, Tee oder gar ein richtiges Frühstück. Nur ein Foto gab es noch:

Dabei sollte es aber nicht bleiben: Nach 200 Metern begegnete ich Abdul vali, der sich gerade anschickte, mit seinen beiden kleinen Kindern und einigen Ballen Stroh zu seinen Pferden zu fahren. Er wollte mich ein Stück mitnehmen, und als er verstanden hatte, dass das nicht gehe, lud er mich ins Teehaus ein.

Dort kam es dann zu einer bemerkenswerten Fortsetzung unseres abendlichen Gesprächs, mit der ich eigentlich nicht gerechnet hatte: Zu bissig und vorwurfsvoll hatte Abdul seine Thesen vorgetragen, zu verhalten waren meine Reaktionen darauf gewesen.

Jetzt bekräftigte er nicht nur, was ich schon wusste, sondern trug wesentliche Ergänzungen vor: 

Die Juden agieren nicht nur von Russland und Amerika aus – alle wichtigen Geschäfte weltweit haben sie in der Hand. Das gilt insbesondere in Europa und auch Deutschland. Nur weiß man es da nicht: Sie haben ja ganz normale Namen, und niemand sagt dazu, dass es sich um Juden handelt.

Der Terrorismus, gerade auch der, der im Namen des Islam verübt wird, wurde ebenfalls durch die Juden initiiert: Der Trick dabei ist, dass auf diese Weise der Islam in der ganzen Welt diskreditiert wird – und das ist ja das zentrale Anliegen der Juden!

Überhaupt: Terrorismus ist durch den Islam niemals zu rechtfertigen. Wer das Gegenteil behauptet, ist kein Moslem. 

In diesem Zusammenhang kam die Frage auf, ob ich die Diskussion verfolgt habe, die vor etwa zwei Wochen im Fernsehen übertragen wurde? Da hat Erdogan wohl mit Merkel gesprochen, und die Kanzlerin hat die Vokabel “islamischer Terrorismus” in den Mund genommen. “Das hat unser Führer sofort korrigiert und klargestellt: Es gibt Moslems, und es gibt Terroristen. Das eine hat mit dem anderen aber überhaupt nichts zu tun. Islamischen Terror gibt es nicht!”

Dann klärte mich Abdul’vali darüber auf, warum man die Türkei nicht in der EU haben wolle (dass sie Beitrittskandidat ist, hat für ihn kein besonderes Gewicht): Das, so wurde ich belehrt, sei ganz klar deshalb so, weil sonst die ganzen Geschäfte und insbesondere die Produktionen in die Türkei verlagert würden, weil die ein so großes und starkes Land sei: 80 Millionen Türken gibt es! Und dass in Deutschland so viele Ausländer eingebürgert werden, beruht nur auf der Tatsache, dass Deutschland sonst viel zuwenig Menschen hätte.

Und die Juden, die planen ja einen Staat, der vom Nil bis an den Euphrat reicht und im Norden bis fast nach Ankara. Du glaubst das nicht, David? Ich habe das selbst gelesen – du kannst das auch nachlesen! Behalte es im Kopf, wenn du weiter die Dinge beobachtest!

Er betont noch einmal, wie wichtig es sei, dass ich wirklich nach Syrien gehe und mir die Folgen der jüdischen Machenschaften anschaue. 

Während dieser Lehrstunde bekomme ich nicht nur Tee, sondern auch zwei Sesamkringel und einen dritten zum Mitnehmen. Abdul’vali schreibt mir noch einen Zettel, auf dem steht, dass ich Ausländer bin, die türkische Sprache nicht beherrsche und im Nahmen Allahs um etwas zu essen beziehungsweise um ein Nachtlager bitte. Seinen Namen, seine Adresse und insbesondere seine Telefonnummer für Rückfragen vergisst Abdul’vali dabei nicht: Sie stehen auch auf meinem Zettel.

Als wir uns verabschieden, ist noch ein zweiter Mann zur Stelle, der vorher überhaupt nicht aufgefallen ist. Abdul’vali übersetzt mir, dass er mir viel Glück wünschen und mich unterstützen wolle. Obwohl ich sage, dass ich noch Geld besitze, das ich von der Kirche bekommen habe, schenkt mir Abdul 15 Lira und sein Freund 50…

Man darf wohl sehr gespannt sein, wie es mit der Türkei und ihrem Führer weitergehen wird…

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Hintergrundgedanken, Pilgeralltag veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Ein Kommentar zu Antisemitisches Lehr(früh)stück

  1. Rahel Britsch sagt:

    Während meiner Geschichtsstunden werde ich von türkischstämmigen Schülern immer wieder mit den obigen Thesen konfrontiert, nicht immer so deutlich, insbesondere was die “Rolle der Juden im islamischen Terror” angeht nicht, das trauen sie sich dann nie, aber es scheint mir unbekannte Quellen zu geben, aus denen meine Schüler ihr “Wissen” speisen – und offensichtlich lesen/hören/sehen alle dasselbe und es ist dazu noch viel einprägsamer als mein Geschichtsunterricht!!
    Die Quelle haben sie mir bisher noch nicht verraten – sie spüren zu schnell, dass ich empört und entsetzt bin. Außerdem ist es leichter, sich auf das archaische Respektverständnis (du darfst dem Lehrer nicht widersprechen) zurückzuziehen oder wahlweise auf die Verachtung der Frau – sie ist zwar meine Lehrerin, aber eben nur eine Frau, wie könnte sie das Richtige wissen – und sowieso ist sie ja deutsch – und womöglich, das könnte sein, jüdisch – also ist es ja klar, dass wir mit ihr nicht diskutieren können. So ist der innere Konflikt schnell gelöst. Selbst wenn sie bemerken, dass ich gerne diskutiere, klappt es oft nicht, dass sie sich offen äußern, da sie sich der Sache sprachlich nicht gewachsen fühlen und zu wissen glauben, dass man hier in Deutschland sowieso nichts gegen Juden sagen darf und es alles keinen Zweck hat, weil eben jeder da anderer “Meinung” ist.
    Auch das, dass es Tatsachen gibt, die nicht auf Meinungen beruhen, dass es aber manchmal schwierig ist, Tatsache von Meinung zu unterscheiden – und wir leider tatsächlich wenig über beispielsweise die Vorgänge in Syrien und die Hintergründe wissen – und Geschichte immer auch das Element der konstruierten Vergangenheit hat, ist viel zu kompliziert.
    So decken sich unsere Erfahrungen weitgehend.
    Wir Deutsche und die Türken haben eine große Gemeinsamkeit: Immer auf der Suche nach dem großen Heilsbringer. Bereit dafür die Selbstbestimmung und Menschenwürde abzugeben, die Freiheit und Gleichheit zu verraten. Nur, dass wir Deutsche dann immer noch mit unseren Ideen die ganze Welt beglücken wollen, während es dieses typische türkische Beleidigtsein gibt, dass genau Letzteres ihnen nicht gut gelingt.
    Außerdem, wie du es erfahren hast, im konkreten Zusammensein, die Ansichten und Widersprüche nicht dazu führen, dass man dem Menschen vor sich nicht empathisch und konkret “mitmenschlich” gegenüber tritt. Das heißt, im Gegensatz zu uns, die wir gerne unsere Ideologien konsequent verfolgen und dadurch über die Bedürfnisse der Mitmenschen oder unsere eigenen stellen, gibt es diese scheußliche Konsequenz bei den Türken vielleicht seltener. Sie rüsten dich eben trotzdem mit Nahrung und guten Wünschen aus – obwohl du David heißt und anderer Ansicht bist als sie.

Schreibe einen Kommentar zu Rahel Britsch Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.