Bewunderung und Verachtung

Vielfache und uneingeschränkte Bewunderung gibt es hier für die deutschen Autobauer. Da ist man sich einig. Auch auf Angela Merkel kommen die Leute sehr schnell zu sprechen. Vielen gefällt, was sie sagt und tut. Mein Eindruck ist aber der, dass sich ein merkwürdiger Unterton in die Anerkennung mischt, die man zum Ausdruck bringt: Man scheint gerne zu nehmen, was die Kanzlerin, was Deutschland zu bieten hat, aber es gibt mindestens ein Kopfschütteln dafür, dass man hierzulande so handelt – oft erlebe ich, dass Verachtung und auch so etwas wie Hohnlachen mitschwingt: Wenn die wirklich so doof sind, das alles für Ausländer und Moslems zu tun – uns soll es nur recht sein!


Vor drei Tagen habe ich bei einem jungen Lehrer übernachtet. Er ist, wie ich, besorgt über die Entwicklung, die die Türkei im Augenblick nimmt. Auch er sieht eine Gefahr für die Demokratie. Bemerkenswerter Weise tut das seiner Bewunderung für den Staatschef als den Motor der bedenklichen Veränderungen keinen Abbruch: Erdogan hält er für einen guten Präsidenten, und auch die Verfassungsänderung trägt er mit. Er war nicht beim Militär (ich wusste gar nicht, dass das geht in der Türkei) und scheint ein friedliebender Mensch zu sein. 

Mesut, so sein Name, bewundert die deutschen Autos (er fährt einen neuen BMW) – und Adolf Hitler. Er hat alles Erreichbare über ihn gelesen und zahlreiche Aufnahmen seiner Reden gehört. Er ist davon überzeugt, dass Hitler eine ganz große Persönlichkeit war. 20 Millionen Tote? Nun, das ist eben Geschichte, thats history! (Die 20 Millionen hat übrigens er in die Diskussion eingebracht, nicht ich…)

Dank der beiden Türken, mit denen ich heute Abendessen war, Yilmaz und Abdul’valid, weiß auch ich jetzt, wer allein an dem unsäglichen Gemetzel in Syrien schuld ist. Genau: Es sind die Juden! 

Meine Einwände und Anregungen, auch Assad, IS, Al Nusra als Beteiligte in Erwägung zu ziehen, werden weggewischt: Die Waffen! Ich solle mir doch mal ansehen, wer die Waffen liefere! Wer nicht einsieht, dass auf diese Weise die amerikanischen und besonders die russischen Juden den Syrienkonflikt initiiert haben und am Laufen halten, ist in den Augen dieser Männer ein Idiot. Und dafür, dass man in Deutschland und Mitteleuropa diese “Wahrheit über die Juden” nirgendwo frei aussprechen darf, haben sie nur Verachtung übrig.

Auf die Idee, dass sich in Syrien die muslimischen Brüder gegenseitig den Hals abschneiden und dafür vielleicht nicht allein, aber doch wesentlich mitverantwortlich sind; auf den Gedanken gar, dass widerstreitende arabische und muslimische Macht-, Einfluss- und Geldinteressen in Syrien eine tragende Rolle spielen könnten, wollen meine beiden Gesprächspartner nicht kommen…

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Ein Kommentar zu Bewunderung und Verachtung

  1. Rahel Britsch sagt:

    Danke für das Foto!! Siehst gut aus – und nicht mehr verfroren! Nur ein Haarschnitt wäre mal nötig – ob du allerdings in der ländlichen Türkei etwas anderes als einen Idiotenschnitt kriegst, ist fraglich.
    Gehab dich wohl!
    Rahel

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