In den Straßen der türkischen Städte

Ich möchte hier eine kleine Anmerkung machen zum Thema Müll – und was meiner Beobachtung nach so dazugehört in der Türkei.

Mit dem, was man bei uns “Entsorgen” nennt, haben ja alle osteuropäischen Länder, die ich bisher  auf meiner Wallfahrt bereist habe, erheblichen Nachholbedarf.

Auch hier in der Türkei ist die Situation außerhalb der Städte und größeren Ortschaften unbefriedigend: Die Leute werfen ihre Abfälle einfach aus dem Auto. Ich habe mir zwar sagen lassen, etwa einmal im Vierteljahr würden von den Gemeinden Putzkolonnen losgeschickt, die alles wieder in Ordnung brächten, doch zu sehen ist das nicht. Und selbst in den Städten gibt es oft nicht nur unbeschreiblich vermüllte Brachflächen, sondern auch ganze Gegenden, in denen sich kein Mensch um Sauberkeit und Ordnung bemüht.

Es gibt aber Leute, die genau ein solches Bemühen zeigen: Sie ziehen eine Art überdimensionaler Sackkarre hinter sich her und laufen vom frühen Morgen bis in den späten Abend hinein durch die Straßen. Sie sammeln in riesigen Säcken jeweils eine ganz bestimmte Sorte Abfall ein: Plastik, Eisen, Elektroschrott… und sie rufen dabei laut aus, auf was sie es abgesehen haben. 
Bei meinem “Einmarsch” in Istanbul bin ich im Westen auch durch ein Stadtviertel gekommen, in dem die Erträge dieser Bemühungen verarbeitet werden: Eine Kunststoffabrik neben der anderen nimmt Recyclingmaterial an und verkauft das aufgearbeitete Sammelgut als Rohmaterial. Es riecht unvermeidbar entsprechend…

Ich habe ein bisschen herumgefragt, was das für Leute sind, die sich Müll sammelnd und sortierend in den Straßen abrackern, und wieviel sie mit ihrer Knochenarbeit wohl verdienen mögen. Man hat mir erzählt, es handle sich überwiegend Kurden, und als Verdienst wurden mir Summen zwischen 1000 und 2000 türkischen Lira genannt – das sind gut 250 bis 500 Euro, im Monat.

Es berührt mich immer wieder tief im Herzen, wenn ich diesen Männern bei der Arbeit begegne und sehe, wie sie unverdrossen ihrem Tagewerk nachgehen – nicht unbedingt vergnügt, aber eigentlich auch nie mit Groll oder Resignation.

In den letzten zwei Tagen ist dieser Effekt noch sehr viel deutlicher zu Tage getreten. Es ist zu meinen bisherigen Beobachtungen nämlich eine wichtige Facette hinzugekommen: Jetzt habe ich auch Frauen dieser Arbeit machen sehen. Mehrmals sind mir welche mit der XXXL-Sackkarre begegnet, und einmal habe ich beobachtet, wie drei junge Frauen auf einem erbärmlichen Pferdewagen das Gesammelte in den Hafen brachten. 

Und gestern saß ich gerade in einer kleinen Parkanlage in Izmit und machte Mittagspause, als nicht weit von mir eine junge Frau mit ihrem Wagen vorbei kam. Eine Besonderheit dabei war, dass sie sehr langsam ging – sonst sieht man die Materialsammler fast immer zügig durch die Straßen eilen. Ihre nackten Füße steckten nur in Sandalen, und sie musste heftig gähnen. 

Schon beim Anblick der meist jungen Männer mit ihren Karren habe ich immer wieder den Gedanken, dass es sich hier um eine Arbeit hart an der Grenze des Menschenunwürdigen handelt. Bei dieser Frau schien mir die Grenze aber deutlich überschritten zu sein: Sie war erkennbar nicht nur erschöpft, sondern auch schwanger. Und der Tag hielt noch mindestens fünf Stunden bereit, bevor die Dunkelheit einbrechen würde….

“Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen”. So steht es wohl geschrieben. Die Müllmaterialsammler und -sammlerinnen in den Straßen der türkischen Städte stellen sich dieser Aufgabe unter härtesten Bedingungen, Tag für Tag, jahrein, jahraus. Sie nötigen mir dafür Respekt und Hochachtung ab.

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Ein Kommentar zu In den Straßen der türkischen Städte

  1. Sr. Mary Clemens Hamukoto, OSB sagt:

    God bless all you are experiencing on your journey!

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